Hand aufs Herz: Woran denken Sie beim Begriff „Großfamilie“? An die bekannte Fernsehsippe, deren Kinder vor allem durch die opulenten Namen auffallen? Oder an die Kellys, mit ihrem abgegriffenen Charme, jenseits der musikalischen Talente? Im täglichen Leben trifft man eher selten auf Großfamilien. Die kleine Familie ist zur Regel geworden.
von Jutta Baur
Großfamilien haben bei uns heutzutage kein besonders hohes Ansehen. Sie gelten als eher ärmlich und wenig leistungsstark. Wenn Sie selbst eine Familie mit vielen Kindern haben, kennen Sie sicher diese Vorbehalte. Richtig ist, dass Kinder Geld kosten. Viele Kinder kosten demnach viel Geld. Doch abseits der finanziellen Betrachtungen, haben große Familien eine Menge zu bieten. Die Kompetenzen, die solche Familien vermitteln, haben es in sich. Nirgendwo sonst lernen Kinder von Anfang an, was soziales Leben und gegenseitige Verantwortung bedeuten.
Leben Sie in einer Großfamilie?
Eine exakte und damit rechtlich verbindliche Definition gibt es nicht. Durchgesetzt hat sich die Auffassung, dass man bei Familien mit mehr als drei Kindern von einer Großfamilie spricht. Schaut man sich die Statistik an, fällt sofort auf, dass zwischen der Zahl von Familien mit drei und der Zahl mit vier Kindern geradezu ein Bruch auftritt. Gab es im Jahr 2005 insgesamt 1130 tausend Familien mit drei Kindern, sind es nur noch 251 tausend mit vier Kindern. Das zeigt recht deutlich, wo die Gesellschaft die Grenze zieht.
Herausforderung Großfamilie
Noch vor gar nicht langer Zeit, waren viele Kinder die Versicherung, im Alter nicht mittellos da zu stehen. Man wurde vom Nachwuchs versorgt, wenn man selbst nicht mehr arbeiten konnte. Durch die verbesserte Sozialgesetzgebung hat sich dies radikal verändert. Aus dem Kinder“reichtum“ wurde geradezu das Gegenteil. Die soziale Anerkennung scheint mit der Zahl der Kinder abzunehmen. Doch damit unterliegen viele Menschen einem Vorurteil. Gerade bei Selbständigen und Führungskräften finden sich besonders häufig Großfamilien. Allerdings fallen die Kinder aus diesen sozialen Schichten weniger durch Bildungsprobleme auf, da der materielle Hintergrund eventuelle schulische Defizite einfacher ausgleicht. Wer es sich leisten kann zusätzliche Betreuung, wie Nachhilfe oder Freizeitaktivitäten anzubieten, wird natürlich im Umfeld weniger auffallen.
Folglich liegt der schlechte Ruf der Großfamilien weniger an der Tatsache, viele Kinder zu haben, sondern am mangelnden Geld, um alle adäquat zu fördern.
Große Familien haben oft mit finanziellen Problemen zu kämpfen
In Großfamilien ist es beinahe unmöglich, dass beide Elternteile einer bezahlten Vollzeitarbeit nachgehen. Die Kindererziehung und der Haushalt liegen in den allermeisten Fällen bei der Mutter. Für sie bedeutet dies später weitere Einbußen, da sie nur wenig für das Alter vorsorgen kann. Bedenkt man, dass die Kinder als zukünftige Einzahler in die Rentenkassen einen bedeutenden gesellschaftlichen Beitrag leisten, so ist das eine spürbare Benachteiligung vor allem der Mütter in Großfamilien.
Vor diesem Hintergrund ist es für eine Familie mit vielen Kindern eine Herausforderung die Kosten des täglichen Lebens zu managen. Dass fängt schon bei der Miete an. Große Wohnungen sind gerade in Ballungsgebieten unerschwinglich. Zudem fürchten viele Vermieter das pralle Leben, das mit Kindern durchs Haus tobt. Kinderreiche Familien gehören nicht zu den Wunschkandidaten auf dem Wohnungsmarkt.
Darüber hinaus schlagen Lebensmittel und Bekleidung naturgemäß viel höher zu Buch, als es bei Kleinfamilien der Fall ist.
Kinder aus Großfamilien sind sozial kompetenter
Teilen müssen, Rücksicht nehmen oder Aufgaben erfüllen – alles das gehört zum Alltag eines Kindes mit mehreren Geschwistern. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass solche sozialen Fähigkeiten auch im weiteren Leben zum Tragen kommen. So sind Kinder aus großen Familien statistisch gesehen länger verheiratet. Sie trennen sich als Erwachsene nicht so häufig von ihren Partnern und halten eher an der herkömmlichen Familienkonstellation fest.
Kinder mit Geschwistern lernen früh, sich gegenseitig zu unterstützen. Die Größeren helfen den Kleineren und tragen Verantwortung. Gerade ihre Teamfähigkeit und Zuwendung machen sie fit für ihr Berufsleben. Für Arbeitgeber sind Mitarbeiter, die aus Großfamilien stammen, zumindest im zwischenmenschlichen Bereich geradezu ideal.
Unterstützung für Großfamilien
Im Gegensatz zu Kleinfamilien, bei denen mehr Angebote für die Kinderbetreuung auf der Wunschliste stehen, liegt bei Großfamilien mehr die finanzielle Absicherung im Fokus. Je nach Gemeinde und Bundesland gibt es hier verschiedene unterstützende Maßnahmen. Darüber hinaus bieten Verbände gezielte Hilfen an. Der „Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V.“ betreibt nicht nur politische Arbeit für Großfamilien, sondern berät auch in drängenden Fragen. Die Mitgliedschaft ist übrigens kostenlos.
Link zum Verband für kindderreiche Framilien: www.kinderreichefamilien.de